Wer einen Imagewandel möchte, muss konsequent sein
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Eine Stadtverwaltung, die Videos bei Youtube einstellt, einen Instagram-Kanal betreibt, Facebook und Twitter sowieso, und dazu noch mit ihren Azubis per WhatsApp schreibt. Annette Hünting, Leiterin Zentrale Verwaltung (Personal, Organisation und IT) bei der Stadt Bocholt, nickt. „Wenn wir das deutlich angestaubte Verwaltungsimage in die Realität führen und die spannenden Aufgaben zeigen wollen, kurzum: modern und frisch auftreten wollen, müssen wir das auch glaubhaft kommunizieren.“ Was so selbstverständlich klingt, ist auch in der Bocholter Stadtverwaltung ein andauernder Prozess. Aber er stößt durch den Erfolg des kreativen, digitalen Angebots für die Personalgewinnung im Azubi-Bereich auf immer mehr Zustimmung und wird nach und nach auf alle Bereiche der Personalgewinnung ausgeweitet.
Mit den Vorteilen der Verwaltung bei Azubis punkten
„Kommunalverwaltungen haben es immer schwerer, Personal zu gewinnen. Wir konkurrieren nicht nur mit den besser zahlenden Unternehmen, sondern auch mit anderen Kommunalverwaltungen. Um hier hervorzustechen, müssen wir uns als Marke positionieren und mit den weichen Faktoren wie flexiblen Arbeitszeiten punkten“, erklärt Peter Bölting, Geschäftsbereichsleiter Personal. Genau hier hat Ausbildungsleiterin Judith Nienhaus angesetzt. Zunächst mit einem Online-Bewerbungsportal für die Azubis, das zwar immer noch alle Angaben aus der klassischen Bewerbungsmappe verlangt, aber den Aufwand für die Bewerber deutlich reduziert. „Ein Imagewandel braucht Zeit und wir sind der festen Überzeugung, dass er nur über den Nachwuchs und über Social Media gelingen kann, denn dort können wir unsere Vielseitigkeit und Familienfreundlichkeit zeigen und erzählen. Als pure Information lässt sich das nicht vermitteln“, erklärt Bölting. Der nächste konsequente Schritt, den Judith Niehaus gemeinsam mit den Azubis umsetzte, war 2016 die Nutzung von Facebook für das Azubi-Marketing. „Wer kennt die Zielgruppe denn besser als die Azubis selbst?“, sagt Nienhaus.
Eine der ersten Ideen, die entstanden sind, war der Azubi-Chat für den Bachelor of Laws: Mitte Juli, kurz vor dem Bewerbungsstart für die neuen Auszubildenden, zeigen zwei der aktuellen Azubis einen ganzen Tag lang ihren Arbeitsalltag im WhatsApp-Chat, beantworten Fragen und klopfen damit, so die Hoffnung, schon mal ordentlich Staub vom Image ab. Beworben hat die Stadtverwaltung das Angebot über Flyer in Schulen, aber natürlich auch über Facebook und Twitter – mit Beiträgen, die die Azubis selbst verfasst haben.
Kontakt halten noch vor dem Ausbildungsstart
WhatsApp sorgt auch für den Kontakt zwischen der Stadtverwaltung und den Azubis, die im Oktober eine Zusage für einen Ausbildungsplatz bekommen haben. „Wir schicken Geburtstagsgrüße, sprechen Termine ab und laden sie zu Veranstaltungen ein, die für sie interessant sind – verwaltungsintern, aber auch zum Kennenlernen wie bei einer kulinarischen Nachtwächterführung. So können wir schon eine Verbindung zu ihnen und auch unter den Azubis aufbauen“, erklärt Nienhaus. Die Azubis nutzen selbst auch eine WhatsApp-Gruppe, um sich zu verabreden, bei der Wohnungssuche zu helfen oder Gesetzesbücher auszutauschen. Voraussetzung ist natürlich, dass die Azubis ihr Einverständnis für diese Art der Kommunikation geben.
Lohnt sich das Engagement? „Auf jeden Fall“, sagt Hünting. „Wir halten unsere Bewerberzahlen im Nachwuchsbereich stabil, das ist super im Vergleich mit anderen Kommunalverwaltungen.“ Um auf allen Plattformen alle Zielgruppen zu erreichen und die emotionale Komponente des Imagewandels erfolgreich ausspielen zu können, ist die Stadtverwaltung auch auf Instagram aktiv. Im Frühjahr 2018 haben Nienhaus und die Azubis zudem mit der Agentur yovego.de aus Münster verschiedene Recruiting-Filme für Youtube und einen kurzen Kinospot gedreht. Darin erzählen und zeigen die Azubis auf emotionale Art, wie vielfältig und interessant ihre Aufgaben sind, wie schön die Gemeinschaft ist und wie offen und unterstützend sie ihren Arbeitgeber erlebt haben. „Wir haben bewusst die ganze Verwaltung miteinbezogen und zum Beispiel gefragt, wer als Statist mitwirken möchte. Und natürlich haben alle mehr oder weniger mitbekommen, dass hier ein Filmteam herumläuft“, erklärt Nienhaus. „Aber genau das ist der ebenso wichtige Effekt, der über die sozialen Medien hinaus geht: Wenn die Mitarbeiter und Azubis ihren Freunden und Bekannten erzählen, was wir hier tun und welch offene, moderne Arbeitskultur wir mit spannenden Aufgaben bieten, ist das die beste Werbung für uns.“
Mittelfristiges Ziel ist es, ähnlich passende Angebote auch für alle anderen Bewerber auf offene Stellen anzubieten. Das Online-Bewerbungsportal ist mittlerweile schon der einzige Weg zum Job bei der Stadt Bocholt. Papierbewerbungen sind nicht mehr möglich. „Da sind wir sehr froh“, sagt Annette Hünting. „Wir schieben keine Papierberge mehr durch die Fachabteilungen und müssen warten bis der eine Kollege die Bewerbungen durchgeschaut hat, bevor der nächste starten kann. Wir sind ein modernes Dienstleistungsunternehmen. Also hat jede Fachbereichsleitung ein Dienst-iPad und kann in Ruhe – auch zu Hause auf dem Sofa, wenn sie möchte – die Bewerbungen durchsehen und Kommentare dazu schreiben, die die Kollegen, die mitentscheiden, direkt sehen können.“
Text: Sabrina Becker | Fotos: Stadt Bocholt
Interview mit Inka Wallkötter
"Man merkt von Anfang an, dass es der Stadt Bocholt um den Menschen geht"
Im Sommer 2014 ging eine der wenigen Online-Bewerbungen, die Inka Wallkötter neben zahlreichen Papier-Bewerbungen abgeben hat, an die Stadtverwaltung Bocholt. Mittlerweile hat die 21-Jährige ihre Ausbildung zum Bachelor of Law bei der Stadtverwaltung Bocholt abgeschlossen und arbeitet nun als Sachbearbeiterin in der Gebäudewirtschaft Bocholt.
Abitur, und dann…? War es für Sie völlig klar, dass Sie danach in der Verwaltung arbeiten wollen?
Mein erster Gedanke war ein Jura-Studium, aber das fand ich dann doch zu lang und zu theoretisch – und mir fehlte das Einkommen (lacht). Also habe ich geschaut, wo ich trotzdem mit Jura zu tun habe, aber auch schon während der Ausbildung Geld verdiene. Das war unter anderem bei der Stadt Bocholt der Fall.
Wie war Ihr erster Eindruck von der Stadtverwaltung?
Da ich aus Bocholt komme, hatte ich natürlich schon eine Verbindung zur dortigen Verwaltung, aber das Angebot hat schon herausgestochen. Erst durch die Möglichkeit der Online-Bewerbung, die es sonst fast nirgends gab, aber auch im weiteren Verlauf des Bewerbungsprozesses.
Inwiefern?
Man hat von Anfang an gemerkt, dass es ihnen um den Menschen geht. Sie haben gefragt: Wer bist du? Und nicht: Was für Noten hast du? Es gab eine Art Assessmentcenter, aber es war ganz offen gestaltet. Sie wollten damit die Menschen kennenlernen, den Tag mit ihnen verbringen und sie beim Mittagessen genauso wie im Gespräch erleben. Da ist mir klar geworden, wie sehr sich die Stadt Bocholt für ihre Mitarbeiter interessiert. Das fand großartig und habe ich mich auch deshalb für die Ausbildung hier entschieden.
Jetzt hat die Stadtverwaltung – auch mit Ihrer Hilfe – das Social-Media-Angebot deutlich ausgebaut. Erreicht man so Ihre Generation besser?
Auf jeden Fall. Man darf nur nicht übertreiben und auf allen Kanälen nerven und aufdrängen. Die Stadtverwaltung hat ein gutes Mittelmaß. Es hilft immer, viele Follower bei Instagram zu haben (grinst).
Text/Foto: Sabrina Becker