Kleffmann Group

Mitarbeiten lassen, Vorteile zeigen und ganz viel reden: So gelingt die Integration eines neuen, digitalen Geschäftsbereichs

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Klassische, unabhängige Marktforschung im Agrarsektor weltweit ist seit mehr als 25 Jahren das Geschäft der Kleffmann Group in Lüdinghausen. Doch 2015 begann das Unternehmen mit der Entwicklung eines völlig neuen, digitalen Geschäftszweigs: Smart Farming zur effektiveren Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Und damit stellten sich Geschäftsführung und Mitarbeiter gleich zwei Herausforderungen, die die Digitalisierung oftmals mit sich bringt: Sie betraten unternehmerisches Neuland durch die Entwicklung und Markteinführung eines digitalen Produkts und stemmten die Integration des neuen Geschäftsbereichs in die „alte“ Firma.

 

Erstes Ziel: Neue Aufgaben für alle verständlich machen

 

Neben Interviewern, Projektleitern und Datenanalysten beschäftigte die Kleffmann Group zusätzlich Geoinformatiker und Webentwickler. Ihre Aufgaben? Ja, die waren für die bisherigen Beschäftigten erstmal gar nicht so leicht zu verstehen. „Die Kollegen haben zwar unsere Idee gesehen, konnten sich das in der Praxis aber nicht vorstellen und waren sich unsicher, welche Auswirkungen die Neuerungen auf ihre Tätigkeiten haben würden“, erinnert sich Entwicklungsleiter Stephan Poppe. Die Idee, das ist „My Data Plant“. Die Software unterstützt durch die Auswertung von Satellitenbildern die Landwirte dabei, ihre Felder effizienter und exakter zu bestellen. Kurz gesagt: Sie zeigt ihnen, wie sie mit gezielterem und dadurch geringerem Einsatz von Dünger und Saatgut homogenere Bestände erreichen und trotzdem hohe Ernten einfahren. 

 

Stephan Poppe hat die Idee, die seit Herbst 2017 auf dem Markt ist, gemeinsam mit Geschäftsführer Burkhard Kleffmann entwickelt. „Unser Ziel war es eigentlich, zu schauen wie wir die Erhebungen und Befragungen effizienter machen konnten. Außerdem ging es darum, wie wir der immer größer werdenden Schnelllebigkeit in der Marktforschung sowie den gestiegenen Ansprüchen der Unternehmen und Entscheider an die Genauigkeit unserer Analyse- und Interview-Daten gerecht werden konnten. Und das natürlich mit Hilfe der Digitalisierung“, erklärt Poppe.

 

Satellitenbilder helfen den Landwirten zu verstehen, was auf ihren Flächen passiert

 

Dabei erstellten sie Satellitenbilder von landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit, die der Sentinel-Satellit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) alle fünf Tage aktualisiert bereit hält. Bei der Auswertung dieser Daten wurde schnell klar: Die Bilder helfen dem Landwirt zu verstehen, was gerade auf seinen Flächen passiert. Sie zeigen durch die Reflexion der Infrarotstrahlen, die der Satellit aussendet, die Biomasse der Pflanze. Je mehr Masse sie hat, umso gesünder ist sie. Sie zeigen auch, wo Stellen zu nass oder zu trocken sind oder sich Schädlinge ausgebreitet haben könnten. All das ermöglicht dem Landwirt ein deutlich präziseres Vorgehen, wenn er die Auswertung dieser Daten auf einen Speicherstick zieht und so die Informationen seiner Landmaschine gibt, die automatisch entsprechend düngt oder sät. 

 

Der Landwirt wurde für die Kleffmann Group vom Befragten zum möglichen Kunden. Die Entwicklung von My Data Plant begann – und mit ihr der Wunsch, die bisherigen Beschäftigten auf diesem Weg mitzunehmen. „Schritt für Schritt wurden unsere Ideen konkreter. Wir stellten Praktikanten ein. Dann erste, neue Mitarbeiter. Unser Team wuchs. Es entstanden neue Karrieremöglichkeiten. Die internationalen Aufgaben nahmen zu. Doch wie konnten wir unseren Beschäftigten das Gefühl nehmen, dass hier neue Kollegen etwas entwickeln, dass sie selbst nicht wirklich verstehen?“, erklärt Burkhard Kleffmann, CEO, das Dilemma. „Wir haben deshalb einzelne Entwicklungsschritte immer wieder vorgestellt und immer wieder erklärt, dass der neue Geschäftsbereich ganz nah an unserem alten Kern ist. Denn Smart Farming ist nichts anderes als Datenanalyse. Und wer hat die Datenexpertise: Wir als Marktforscher.“

 

Neue Geschäftsbereich bringt auch Vorteile für die bisherigen Aufgaben

 

Außerdem zeigte das Projektteam den Beschäftigten ganz konkret, welche Vorteile sie vom neuen Geschäftsbereich haben. „Wenn ein Landwirt, den wir regelmäßig befragen, auch My Data Plant nutzt, haben wir ja unglaublich viele Daten von ihm vorliegen. Gibt er sein Einverständnis für die anonymisierte Nutzung der Informationen, die wir für unsere Befragung benötigen, kann der Interviewer schon mal drei Seiten später anfangen“, erklärt Stephan Poppe. „Und er kann perspektivisch die eingesparte Zeit für eine Beratung bei Fragen zu My Data Plant nutzen. So sehen unsere Mitarbeiter, dass wir ihren Job nicht streichen, sondern nur an einigen Stellen verändern wollen.“ 

 

Wo immer es möglich war, band das Projektteam zudem die Mitarbeiter in die Entwicklung mit ein. „Als es zum Beispiel um die benötigten Mengen an Dünger oder Saatgut ging, die My Data Plant berechnet, sagten unsere Mitarbeiter: Ein Landwirt denkt nicht in Paletten, sondern in Kilo und Liter. So etwas ist natürlich immens wichtig für die Anwendungsorientiertheit“, erinnert sich Poppe. „Darüber hinaus haben wir uns immer wieder gefragt, ob wir wirklich alle Mitarbeiter inhaltlich abgeholt und niemanden vergessen haben. Dafür war natürlich je nach Aufgabengebiet eine unterschiedliche Ansprache nötig. Und wir haben gemerkt: Es ist ganz wichtig nichts bei den Kollegen vorauszusetzen.“ 

 

Flachere Hierarchien, mehr Gestaltungsspielräume für die Mitarbeiter

 

Am Ende des Wegs steht die Kleffmann Group noch nicht. „Aber es ist bereits viel gelungen“, sagt Personalleiterin Lisa Peters. „Die innere Struktur unseres Unternehmens ist sehr viel offener geworden. Es gibt viel mehr Austausch, natürlich auch weil es vielmehr Neues gibt, dass es zu verstehen gilt, es hat sich auch die Mentalität gewandelt.  Die Hierarchien sind flacher geworden und alle Mitarbeiter haben mehr Gestaltungsspielraum.“ Nur eine dicke, digitale Mauer wird die Kleffmann Group nicht aufbrechen: Die Trennung zwischen den beiden Mega-Servern für die gespeicherten Satellitenbilder und den Befragungsgeschäftsbereich – aus Datenschutzgründen.

 

www.kleffmann.com/de

 

Text und Fotos: Sabrina Becker